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Planted: Das Poulet ohne Hühnerfleisch

Planted: Das Poulet ohne Hühnerfleisch

Das Start-Up Planted stellt aus Gelberbsen, Hafer und Sonnenblume «Fleisch» her. Das wachsende Unternehmen erobert mit pflanzlichen Fleischprodukten den Markt. Ein Besuch zeigt: Ein Poulet kann auch ohne Hühnerfleisch bestehen.

Gründe, die für und gegen Fleisch sprechen

Es gibt sicherlich Gründe, Fleisch zu essen. Fleisch ist für viele Menschen Genuss. Zudem versorgt Fleisch den menschlichen Körper mit Mikronährstoffen wie Proteine, Eisen, Zink und Vitamin B12. Es gibt aber auch Gründe, die gegen Fleischkonsum sprechen: Zum Beispiel die Menge, die eine Person pro Jahr in der Schweiz (und in anderen Ländern) im Schnitt verdrückt: Gemäss Agrarbericht 2022 sind es alleine in der Schweiz im Schnitt 51,82 Kilo pro Kopf. Zum anderen wird auch die Gesundheit (zu viel Fleisch), das Tierwohl (Massentierhaltung) und der Umweltzerstörung ins Feld geführt.

Eines schleckt natürlich keine Geiss weg: Für das Fleisch müssen Tiere geschlachtet werden. 2021 wurde in der Schweiz insgesamt eine Fleischmenge von 494 614 Tonnen Schlachtgewicht produziert.

Für viele kompromissbereite Menschen heisst die Lösung Fleischersatzprodukte. Dafür muss kein Tier sterben. Das Prinzip ist im Grunde einfach: Statt den Tieren die pflanzlichen Proteine zu füttern, damit sie mehr Fleisch ansetzen, werden die Tiere «übersprungen» und die pflanzlichen Proteine direkt für menschliche Ernährung eingesetzt. Die Vision: Weniger Nutztiere, keine Zerstörung des Regenwalds für den Sojaanbau für tierische Nahrung, weniger Wasserverbrauch, weniger Treibhausgase.

Nachfrage nach Fleischersatzprodukten ist steigend

In den vergangenen Jahren ist die Nachfrage nach Fleischersatzprodukten stark gestiegen. Im 2020 hat der Schweizer Detailhandel einen Umsatz von 117 Millionen Schweizer Franken erwirtschaftet. 2016 waren es noch 60 Millionen Franken. Dies verrät der erste Fleischersatz-Report des Bundesamts für Landwirtschaft aus dem Jahr 2021. Quelle: https://www.blw.admin.ch

Es ist allerdings ein Tropfen auf den heissen Stein. Denn der Produktionswert von Fleisch lag gemäss Bundesamt für Statistik BFS (2021) bei gut 2,9 Milliarden Franken.

Die höchsten Wachstumsraten bei den Fleischersatzprodukten verzeichneten sogenannte Meat-Analog-Produkte. Damit sind Produkte gemeint, die wie Fleisch aussehen und auch so schmecken sollen.

Ein solches Produkt herzustellen, dass wie Fleisch schmeckt, ist eine grosse Herausforderung. Den Geschmack von Fleisch zu kopieren ist ein regelrechtes Kunststück. Das Schweizer Start-Up Planted hat sich dieser Herausforderung angenommen und nennt sich heute die «erste transparente Fleischfabrik ohne Tierleid».

Planted: Ein Schweizer Start-Up gibt Vollgas

Das Start-Up betreibt diese «transparente Fleischfabrik» im The Valley im zürcherischen Kemptthal. The Valley ist ein geschichtsträchtiger Ort. Vielen dürfte die alte Maggi-Fabrik noch in Erinnerung sein, die hier Fertigsuppen und Flüssigwürze herstellte. Bis in die 1990er Jahre trug der Wind den würzigen Geruch der Maggi bis nach Winterthur-Töss. Hier haben sich nun einige Start-Ups niedergelassen. The Valley ist auch «ein Zuhause für Innovation und Entwicklung. Und dabei gleichzeitig ein Zentrum für Freizeit und Unterhaltung.»

Das Gebäude von Planted in The Valley.
Planted hat sich im The Valley im zürcherischen Kemptthal niedergelassen. Bild: Planted

Im Juli 2019 wurde Planted gegründet, im Juni 2020 zog das Unternehmen auf das alte Maggi-Areal. Hinter dem Unternehmen steht ein grosses 65-köpfiges Forschungs- und Entwicklungsteam. Planted beschäftigt bereits mehr als 200 Mitarbeiter:innen und verkauft die veganen Produkte nebst im Schweizer Markt auch in Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und dem Vereinigten Königreich. In der Schweiz gibt es die Planted-Produkte in rund 4600 Läden und 2000 Restaurants.

Ein Besuch bei Planted in Kemptthal

Fotografieren ist in der Fabrik nicht erlaubt. Es gibt viele Führungen bei Planted, das Interesse an fleischlosem Fleisch ist gross. «Wir wollen unsere Mitarbeiter:innen nicht ausstellen wie im Zoo», sagt Judith. Sie ist verantwortlich für die Produkteentwicklung und vertritt das Unternehmen in der Schweizerischen Vereinigung für alternative Proteine, der  Swiss Protein Association, als Verbandspräsidentin.

Produktionshalle bei Planted.
Blick in die Produktion von Planted. Bild: Planted

Der Grundrohstoff der Produkte ist das Protein der Gelberbsen, Hafer und Sonnenblume. Gut 20 Tonnen werden täglich verarbeitet. Alle Rohstoffe kommen aus Europa. Ein Teil der Gelberbsen, das Rapsöl sowie das verwendete Wasser, wird aus der Schweiz bezogen.

Der Grundrohstoff der Produkte ist das Protein der Gelberbsen, Hafer und Sonnenblume.

«Für die Schweizer Landwirtschaft bietet der Markt für Fleischersatzprodukte ebenfalls grosses Potenzial insbesondere in Bezug auf die Produktion pflanzlicher Rohstoffe. Diese Potentiale werden bislang kaum genutzt. Derzeit werden nahezu alle pflanzlichen Proteine für die inländische Fleischersatzproduktion importiert», schreibt das Bundesamt für Landwirtschaft in seinem Schweizer Fleischersatz-Report vom Mai 2021.

Mehr Gelberbsen aus der Schweiz

Mit der Verabschiedung des landwirtschaftlichen Verordnungspakets 2022 werden ab dem 1. Januar 2023 neu Einzelkulturbeiträge auch für den Anbau von Eiweisspflanzen zur menschlichen Ernährung gewährt. Bis jetzt gab es nur Direktzahlungen für den Anbau von gewissen Eiweisspflanzen, die als tierische Futtermittel eingesetzt wurden. «Für Planted ist dies ein erster wichtiger Schritt, um pflanzliche Lebensmittel mit Unterstützung der Schweizer Agrarwirtschaft stärker zu fördern», schreibt Planted auf ihrer Webseite.

«Um die lokale Wertschöpfung weiter erhöhen zu können, hat das junge Unternehmen aufgrund des Bundesratsentscheids nun erfolgreich begonnen in der Schweiz Gelberbsen einzukaufen», schreibt Planted weiter.

Warum das vegane Fleisch Güggeli genannt wird

Fleischesser sind nicht selten genervt, wenn Veganes mit «fleischigen» Namen wie Güggeli, Schnitzel, Braten oder Wurst bezeichnet werden. Das sei irreführend.

Die Kritik lässt Planted nicht gelten. «Wir wollen die Konsumenten nicht täuschen, wir glauben aber, dass ein Bezug zum tierischen Produkt noch nötig ist, damit der Konsument weiss, wie er die pflanzlichen Produkte in der Küche einsetzen kann», erklärt Judith. «Irgendwann wird das nicht mehr nötig sein.»

Das Poulet aus dem Extruder

Aber wie wird aus der Erbse ein «Huhn»? Die Gelberbsen werden in einen Extruder gegeben. Das Fördergerät presst unter kontinuierlichem Druck die Masse heraus. Diese wird erhitzt und verarbeitet. Bei manchen «Fleischsorten» ist eine Struktur nötig. Diese wird mit Nebenprodukten wie beispielsweise Sonnenblumenpresskuchen erreicht. Presskuchen nennt man den Rest, der nach dem Pressen für Öl übrigbleibt. Statt im tierischen Topf landet er bei Planted beispielsweise im «Pulled Pork». Durch den hohen Proteingehalt können die Produkte mit dem Fleisch durchaus mithalten und sind sogar noch ballaststoffreicher.

Die Struktur wird mit Nebenprodukten wie beispielsweise Sonnenblumenpresskuchen erreicht. Bild: Planted

«Alle Produkte bestehen nur aus natürlichen Zutaten und sind ohne Zusatzstoffe», versichert Judith. Lediglich eine Marinade aus Öl, Kräutern und Gewürze wird hinzugegeben. Auch Vitamin B12 wird zugesetzt.

«Dass wir keine Zusatzstoffe verwenden hebt uns von der Konkurrenz ab», sagt sie. «Diese Strategie brauche aber einen langen Atem, weil wir weniger neue Produkte auf den Markt bringen da diese länger für die Entwicklung benötigen.» Und der Preis spielt auch eine Rolle. Denn ist das Fleischersatzprodukt massiv teurer als Fleisch, lassen auch kompromissbereite Fleischesser die Finger davon.

Die Gefahr eines tiefen Falls bei industriell hergestelltem veganem Fleisch mit allerhand Zusatzstoffen und einem (zu) hohen Preis ist nie auszuschliessen, wie zum Beispiel der amerikanische Vegi-Burger-Hersteller Beyond Meat zeigt.

Ein beherztes Ziel

«Wir wollen mit unserem pflanzlichen Fleisch 1 Prozent des Fleischmarktes erobern», sagt Judith.

Das klingt nach wenig, doch wenn man die Fleischmenge, die pro Jahr gegessen wird zum Vergleich hinzuzieht, ist ein Prozent ein beherztes Ziel. Und wenn für einmal kein Huhn für ein paar Chicken Nuggets sterben muss, dann hat es doch auch etwas Gutes.

Wer Fleischersatzprodukte nicht mag, kann auch beim Kauf von Fleisch Verantwortung übernehmen. Hier gibts 9 Tipps für einen tierfreundlicheren und nachhaltigeren Einkauf.

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