Welche Wolle ist am nachhaltigsten?
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Welche Wolle ist am nachhaltigsten?

Welche Wolle ist am nachhaltigsten?

Ich habe vor einiger Zeit wieder mit dem Stricken bzw. mit dem Häkeln begonnen. Das gab mir in meiner Prüfungsphase einen super Ausgleich. Es ist eine ziemlich meditative Arbeit, bei der man einfach mal abschalten kann und sogar etwas Kreatives hervorbringt. Auf der Suche nach Wolle bin ich auf verschiedenste Arten gestossen.

Im Wollladen schaue ich mich um: Hunderte von Wollknäuel liegen in den Regalen, in verschiedensten Farben und Stoffen. Ich bin überfordert. Mein Bauchgefühl sagt mir: Kaufe keine synthetische Wolle, Mikroplastik und so. Somit gehe ich zur Verkäuferin und frage nach Schafswolle. Sie zeigt mir einige Knäuel aus irischer Schafswolle. Das Informationsblatt an der Wolle gibt mir ein gutes Gefühl. Glückliche Schafe auf der Weide. Das überzeugt mich und möchte bezahlen. «35 Franken für zwei 100-Gramm-Knäuel sind schon echt viel», geht mir durch den Kopf und schaue mich um. «Die Dinger aus Polyacryl kosten einen Bruchteil davon… aber für Nachhaltigkeit zahle ich gerne», denke ich mir und gehe aus dem Laden.

Habe ich mich da wirklich richtig entschieden? Ist Schafswolle mit den richtigen Zertifikaten wirklich das nachhaltigste, oder kaufe ich für meine Strickmütze lieber Wolle aus pflanzlichen Rohstoffen? Diesen Fragen gehe ich in diesem Blogartikel nach und nehme tierische, pflanzliche und synthetische Wolle unter die Lupe.

Welche Zertifikate gibt es?

Die Liste ist endlos. Einige Zertifikate sind strenger, einige erhält man sehr leicht. Wichtige Siegel sind sicherlich GOTS, RWS und Naturtextil.

Bei GOTS müssen mindestens zu 70 Prozent aus zertifizierten Naturfasern sein und es wird die ganze Kette, vom Schaf bis zur Verarbeitung angeschaut. Es ist ein eher strenges Label, jedoch gibt es bei Schafswolle aus Australien eine Lücke, so dass das Siegel «Mulesing» (siehe Kasten) dort zulässt.

RWS sagt nur etwas über das Tierwohl aus, Mulesing wird bei diesem Siegel nicht akzeptiert. Das Zertifikat mit den strengsten Auflagen ist wohl «Naturtextil zertifiziert Best». Produkte mit diesem Siegel haben die bestmögliche ökologische Qualität. Textilien müssen zu 100 Prozent aus zertifizierten Naturfasern sein. Mehr Infos zu diesem Label findest du hier.

Vier Pfoten hat einen Einkaufscheck zu Merinowolle gemacht. Hier findest du das Resultat.

Tierische Wolle

In diesem Teil gehe ich nur auf die Schafwolle ein, denn das Thema tierische Wolle ist unglaublich gross. Wolle kann auch von Alpakas, Ziegen oder Angora-Kaninchen stammen.

Wie nachhaltig ist Wolle
Schafe werden einmal jährlich geschoren.

Die Schafwolle hat viele Vorteile: Im Sommer kühlt sie, im Winter wärmt sie. Zudem nimmt sie Feuchtigkeit sehr gut auf und liegt normalerweise angenehm auf der Haut.

Für Schweizer Landwirt*innen lohnt sich das Woll-Geschäft nicht mehr. Swisswool, ein grosser Wollabnehmer, der jährlich 350 Tonnen Schweizer Schurwolle verwertet, kauft die Wolle bei lokalen Betrieben. Die Preise schwanken je nach Farbe und Qualität von einem Franken bis zehn Rappen pro Kilogramm (Preise von Swisswool). Die Schafe werden einmal pro Jahr geschoren und ein Schaf bringt je nach Rasse 2 bis 5 Kilo Wolle. Ein nicht sehr rentables Geschäft, meiner Meinung nach.

Das meiste an Wolle im Laden kommt wohl aus dem Ausland, wo teilweise das sogenannte «Mulesing» erlaubt ist. Aline Trede (Grüne) hat 2019 eine Motion eingereicht, worin sie fordert, dass «eine Deklarationspflicht für mittels des Mulesing-Verfahrens gewonnene Merinowolle geschaffen wird. Die Konsumentinnen und Konsumenten erhalten damit die relevanten Informationen über die Produktionsweise dieser tierquälerisch erzeugten Wolle und können selber entscheiden, ob sie darauf verzichten wollen.» 2021 wurde dieser Antrag jedoch abgelehnt.

«Merinoschafe, aber auch viele andere Schafrassen, werden zur Schädlingsbekämpfung mindestens zwei Mal pro Jahr in Lösungen aus Insektiziden und Fungiziden getaucht. Das ist nicht nur für die Schafe eine Qual, sondern stellt einerseits für den Träger des Wollprodukts möglicherweise eine gesundheitliche Gefahr dar, wenn Rückstände dieser Chemikalien in der Wolle vorhanden sind. Andererseits verschmutzen die Chemikalien die Umwelt», schreibt Umweltnetz Schweiz in einem Artikel über die ausländische Wollproduktion. 

Weitere Nachteile sind wie bei allen tierischen Produkte der Wasserverbrauch und die Landnutzung. Wiederkäuer stossen viel Methan aus, welches die Umweltbilanz zusätzlich noch belastet. Zudem kommen die langen Transportwege dazu, wenn die tierischen Produkte zum Beispiel von Australien zu uns verfrachtet werden.

Das sind die Schattenseiten der Schafswolle. Bestimmt «mulesing»- frei ist Schweizer Wolle. Was an dieser Stelle auch noch wichtig ist zu erwähnen: Schafe sind wahre Landschaftsgärtner. In den Sommermonaten sind etwa die Hälfte der Schweizer Schafe auf der Alp und helfen bei richtiger Führung, die Artenvielfalt der Gräser zu fördern, da sie auch an Orten grasen, wo keine Rinder herankommen. Auch Pro Natura setzt mancherorts Schafe ein.  Mehr dazu hier. 

Es gibt durchaus Betriebe, die auf das Tier und Umwelt achten. An manchen Orten ist die Schafzucht  sogar die Haupteinnahmequelle, wie beispielsweise in Schottland.

Pflanzliche Wolle

Quelle: Pixabay

Baumwolle ist der Klassiker schlechthin. Wie bei der Schafswolle nimmt der Stoff Feuchtigkeit gut auf. Es ist ein nachwachsender Rohstoff und hat somit sehr viel Potenzial. Die Nachteile sind, dass Baumwolle sehr viel Wasser benötigt. Laut Quarks werden zudem 16 Prozent aller Insektizide weltweit auf Baumwollfeldern versprüht, wobei diese nur 2,5 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ausmachen. In einer Saison werden die Felder bis zu 30 mal mit Herbiziden besprüht. Auf eine Tonne Baumwolle kommen 266 Millionen Liter graues Wasser!

Anders als bei der konventionellen Produktion, darf beim Bio-Standard kein Pestizid eingesetzt werden. Unkraut wird mechanisch entfernt. Auch der Wasserverbrauch ist kleiner. Aber: Bio braucht etwa 20 Prozent mehr Land.

Die Hanfpflanze ist vielfältig nutzbar.

Textilien aus Hanf sind widerstandsfähig und schmutzabweisend. Zudem sind sie robuster und saugfähiger als Baumwolle. Wie bei der Schafswolle wärmt der Stoff im Winter und kühlt im Sommer. Was ist mit der Umwelt? Hanf braucht keine Pestizide, da Hanf selbst gegen Schädlinge kämpft. Auch der Wasserverbrauch beim Hanfanbau ist viel geringer. Im Schnitt kann man mit der gleichen Anbaufläche drei Mal mehr Ernte einholen als bei Baumwolle. Heute wird der grösste Teil des Hanfs aus China importiert. Deshalb sollte beim Kauf trotzdem darauf geachtet werden, dass der Hanf aus Europa kommt, um Transportwege zu vermeiden. Auch ein Siegel schadet hier nicht.

Leinen-Kleidung ist vor allem im Sommer beliebt, da sie kühlt und gut durchlüftet. Auch gegenüber Baumwolle steht sie besser da: weniger Pestizide, weniger Wasser. Zudem kann sie in Westeuropa angebaut werden. Was speziell ist: Bei der sogenannten Röste, Pilze und Bakterien zersetzen die Pflanze und so werden Fasern freigelegt, bleiben die ausgerissenen Pflanzen auf dem Feld liegen und schwemmen wieder Nährstoffe in den Boden. Somit kommt ein Leinenfeld mit wenig bis keinen Dünger aus.

Bambus wird immer populärer. Auch er hat seine Vor- und Nachteile: Er wächst schnell nach und man kann ihn vielseitig verwenden. Jedoch muss er aus Asien importiert werden, so dass durch den Transport die Umwelt belastet wird. Zum Thema Bambus haben wir zwei Artikel auf unserem Blog: Wie nachhaltig ist Bambus wirklich? und Wächst Bambus in der Schweiz?

Über Lyocell erfährst du mehr in meinem Blogartikel.

Synthetische Wolle

Polyacryl, Polyamid und Polyester um nur einige zu nennen, gehören zu den synthetischen Fasern. Sie sind elastisch, pflegeleicht, und strapazierfähig. Das war’s dann aber auch schon mit den Vorteilen. Synthetische Stoffe können Schweiss nicht so gut aufnehmen wie Naturfasern, so dass es ziemlich schnell unangenehm wird.

Zudem löst sich beim Waschen Mikroplastik, welcher dann wieder ins Grundwasser kommt. Die Produktion von solchen Stoffen ist sehr energieintensiv und der Rohstoff ist Erdöl, der an sich schon sehr problematisch ist. Somit verursacht die Textilindustrie weltweit mehr CO2-Ausstoss als die Schifffahrt und der Flugverkehr zusammen.

Fazit und Antwort auf die Frage: Welche Wolle ist am nachhaltigsten?

Jede Wolle hat seine Vor- und Nachteile, klar. Bei der Schafwolle spielt das Tierwohl und die Umweltbelastung eine grosse Rolle, bei der synthetischen Wolle das Erdöl und die Produktion und bei den pflanzlichen Alternativen der Anbau und die Pflanzenschutzmittel. Alle haben ihre Macken. Wenn man den CO2-Ausstoss vergleichen will, verursacht Baumwolle ca. 2,1 Kilo CO2 pro T-Shirt, bei synthetischen Fasern sind es schon 5,5 Kilo und tierische Wolle ist hier Spitzenreiter mit mehr als doppelt so viel CO2-Ausstoss.

Meiner Ansicht gibt es einen klaren Sieger: Hanf. Vegan, nachwachsend und sehr leicht anzubauen.

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